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25.5.07

Gewalt und Demokratie

"... und man kann wieder sicher Mercedes fahrn,

ohne dass die Dinger immer explodieren...."
Jan Delay

Eine Sache, die uns bei den Amerikanern immer wieder übel aufstößt, ist ihre vermeintliche Gewaltaffinität. Dazu gehört auch das für unsere Verhältnisse absurde Waffengesetz. Jedem Bürger ist es ein per Verfassung verbrieftes Recht, eigene Schußwaffen zu besitzen. Aber es gibt ja auch eine Geschichte dazu:

Als 1781 die Engländer aus aus Amerika abzogen, war ein Mythos geboren. Nicht ein Staat hatte einen anderen Staat besiegt, sondern eine Bevölkerung hatte sich gegen ihre Unterdrücker erhoben und sie aus dem Land gejagt. Aus dem Land hatte sie sie deshalb jagen können, weil Sie mit Bärentöter und sonstigen Jagdwaffen ausgerüstet, einen unerbittlichen Guerillakrieg ausfechten konnte, der ohne diese Grundbewaffnung des gemeinen Volkes nicht möglich gewesen wäre.

So ist auch der amerikanische Patriotismus zu verstehen: Es ist ein Stolz auf die Bevölkerung, die sich nicht rumschubsen lässt. Auch nicht, und das wird gerne missverstanden, von der eigenen Regierung. Es gibt ein allgegenwärtiges Grundmißtrauen gegen jede Regierung. Egal wer dort gerade am Ruder ist.

Die allgemeine Bewaffnung wird so auch als Versicherung verstanden. Es ist gewisser Maßen die Einschränkung des Gewaltmonopols des Staates. So etwas wie das dritte Reich, hätte hier nicht stattfinden können, sagen die Amerikaner. Und tatsächlich: Jeder Regierende weiß, die da unten können zurück schießen. Im Zweifelsfall.

Ich will diesem System nicht das Wort reden. Ich lehne es ganz klar ab. Aber es hat seine Vorteile.

Was, wenn bei uns die Regierenden auf den Trichter kommen, die Grundrechte aufzuheben? Was, wenn bei uns korrupte Politiker mit korrupten Managern auf die Idee kommen, das Land auszuplündern? Was, wenn der Verfasssungsschutz dazu übergeht vor allem jene verfolgen, die für die Verfassung einstehen? Was, wenn die eigentlichen Verfassungsgegner an die Regierung kommen und dieses uneingeschränkte Gewaltmonopol genießen? Wer wird sie davon abhalten, das Beste in diesem Land, das Grundgesetz, nach ihrem Willen zu beugen/ zu treten / auszuhölen / faktisch abzuschaffen? Wer wird staatlich geprüfte Betrüger dem Recht zuführen?

Es gab da eine Zeit... gar nicht so lange her... da konnten ganz bestimmte Leute auch bei uns nicht mehr angstfrei zur Arbeit fahren...

PS: Ich weiß, dass Amerika nicht frei ist, von dem oben genannten Problemen. Ich weiß, dass sie zur Zeit eine noch korruptere Regierung hat, als wir. Aber das wiederum liegt an anderen Dingen: vor allem das mangelnde Bewusstsein für diese Zusammenhänge (mangelde Bildung, nicht funktionierende Presse...) und die Tatsache, dass die Regierung vor allem nach außen hin scheiße baut, die eigene Bevölkerung aber mehr oder weniger in Ruhe lässt (Gemessen an dem, was in Deutschland gerade passiert). Außerdem geht es mir um die Grenze, in der eine Regierung handeln kann. Diese Grenze gibt es in Deutschland aufgrund des absoluten Gewaltmonopols des Staates faktisch nicht.

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9 Zitate:

... oder wie Anonymous Anonym einst so treffend sagte:

"Interessante Fragestellung: Wären unsere Demokratie und unsere Grundrechte besser vor Einschränkung und Unterwanderung geschützt, wenn jeder Deutsche Bürger sich problemlos Schusswaffen besorgen könnte?
Fest steht, um eine ähnliche Opferrate zu erreichen, wie sie in Amerika aufgrund der hohen Waffendichte zu beklagen ist, müsste hierzulande ein ziemlich langer Bürgerkrieg toben.
Könnte man in Deutschland in jedem Supermarkt halbautomatische Gewehre kaufen, würde das wohl am ehesten antidemokratischen Gruppierungen aus dem Dunstkreis von NPD und DVU in die Hände spielen, die damit eine umso größere Gefahr für Demokratie und Sicherheit darstellen würden.
Denn Nazis ohne Waffen sind zwar ärgerlich, Nazis mit Waffen sind richtig gefährlich.
Das Bild der braven US-Pioniere, die ihre Flinten nur im Schrank haben um sich vor wilden Tieren zu schützen und im Notfall auch die Bill of Rights zu verteidigen ist sehr romantisch, stammt aber aus dem Jahre 1791. In der Zwischenzeit hat der Fortschritt die Verhältnisse dramatisch verändert: Die Urbanisierung und die industrielle Herstellung von automatischen Feuerwaffen haben den Gedanken des wehrhaften demokratischen Volkes pervertiert. Amerikaner nutzen ihr Recht auf Waffenbesitz heute hauptsächlich, um andere Amerikaner zu ermorden. Dass die Opfer dabei hauptsächlich ethnischen Minderheiten angehören und aus Armutsvierteln kommen, mag der wahre Grund sein, warum die weisse Mittelstands-Mehrheit der US-Bevölkerung kein Interesse daran hat, die Gesetzgebung zu ändern.
Ich bin jedenfalls ganz froh, dass es den Siegermächten bei der Erstellung des Grundgesetzes nicht eingefallen ist, darin auch ein Recht auf Waffenbesitz für die Deutschen zu integrieren."

Sonntag, Mai 27, 2007  
... oder wie Blogger mspro einst so treffend sagte:

"Endlich hat mal jemand den Mut die Wahrheit auszusprechen und mir zu widersprechen ;-)

Mir ist sehr Bewusst, dass sich meine Argumentation auf sehr tönernen Füßen befindet. Mich interessiert diese Argumentation aber dennoch, weswegen ich sie mir zu eigen gemacht habe. Es ist der Gedanke der Rückversicherung der Demokratie im Allgemeinen. Ganz unabhängig, ob er in den USA noch eine Faktizität ist, ob die Praxis die Idee pervertiert hat. Die Idee und vielleicht sogar die Notwendigkeit einer solchen Rückversichung scheint mir Nahe zu liegen.

Im Grunde muss ein System wie eine Demokratie einen Moment der Unberechbarkeit beinnhalten. Und dieser muss - um gegen das Gewaltmonopol des Staates bestehen zu können - ein gewaltsames sein. Und zwar eine Partizipative, ich meide den Ausdruck basisdemokratische, Gewalt. Im Grunde eine Revolution.

Die Herrscher, auch die demokratischen, müssen immer mit der Möglichkeit der Revolution konfrontiert sein. Die Revolution ist tatsächlich die Einzige Rückversichung der Bevölkerung gegen das Gewaltmonopol des Staates.

Ich habe dazu auch empirische Indizien:
Man hat gesehen, wie die Demokratie unvorstellbares geleistet hat, was die Freiheit und die Gleichheit seiner Bürger anging, solange die Weltrevolution in realexistierender Drohkulisse indirekt auf sie einwirkte. Man sieht heute immer mehr, wie diese Drohkulisse fehlt. Wie Willkür, Korruption, ehisch fragwürdige Ansichten, totalitäre Gebaren, neoliberale Darvinismustheorien, etc. sich ungehindert in dem demokratischen Prozess einnisten.

Zudem sieht man immer deutlicher, dass die Verflechtung von Kapitalismus und Demokratie, die immer als untrennliche Schwestern gesehen wurden, sich mehr und mehr löst. Russland und China sind nur die größten Beispiele.

Ich bin für die Demokratie. Aber wirkliche Demokratie kann es nur geben, wenn sie hinterfragbar bleibt.

(Ich denke immer wieder über eine Grundgesetzänderung nach, nach der bei einer Wahlbeteiligung bei unter 50% das System als solches Abgewählt würde. D.h: Alle nehmen ihre Holzknüppel und dann auf nach Berlin...)"

Sonntag, Mai 27, 2007  
... oder wie Anonymous Anonym einst so treffend sagte:

"»Was, wenn bei uns korrupte Politiker mit korrupten Managern auf die Idee kommen, das Land auszuplündern? […]«

Äh, ist das nicht schon längst so? Stichwort: Corporate Republic, oder etwa: plutokratische Oligarchie. ;)

Das mit dem Waffenrecht in USA ist ein interessanter Punkt. Aber es ist doch eigentlich völlig egal ob eine Bevölkerung das Recht besitzt Waffen zu tragen oder nicht? Wenn es hart auf hart zur »einzigen Rückversicherung der Bevölkerung« kommt, … ich meine, die Möglichkeit zum »Holzknüppel« zu greifen, oder dem »Gewaltmonopol« die Waffen zu entwenden (Guerilla-Taktiken: Man denke an Vietnam, Afgahnistan etc …) und sich zu erheben und Wiederstand zu leisten besteht doch immer.

Mir fällt dazu auch der Spruch von Kundun (Dalai Lama) ein: »Gewaltlosigkeit ist miteinander verhandeln wenn es geht. Und Wiederstand wenn es nicht geht.«

Tibet wurde (fast) vernichtet, doch nicht ganz. Denn sie leisteten Wiederstand, und der Wiederstand lebt im Exil weiter. Ob die Gewaltlosigkeit gewonnen oder verloren hat, ist in diesem Fall noch nicht entschieden. (Wobei es natürlich keine hundertprozentige Gewaltlosigkeit mehr in der Tibetischen Bevölkerung gab als Maos Truppen einmarschierten.)

Wieder zurück zu uns: Selbst in der Deutschen Geschichte gibt es doch das große Beispiel wo es ohne Waffen, friedlich geklappt hat: der Mauerfall. Eine Diktatur (!) viel zusammen, ohne dass die Bevölkerung ›das Recht Waffen zu tragen‹ besaßen, durch Druck von Innen und auch von Außen.

Und ich finde man sollte die anderen ›Waffen‹, die es gibt, nicht außer acht lassen: z.B. die Medien (nützlich für beide Seiten) oder Versammlungsfreiheit (im Osten eben damals als ›Zusammenrottung‹ verboten). Das sind doch auch Grenzen für ein Gewaltmonopol.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Demokratie auch ohne ›das Recht Waffen zu tragen‹ funktionieren könnte!"

Sonntag, Mai 27, 2007  
... oder wie Blogger mspro einst so treffend sagte:

"doubl, eine unbewaffnete revolution gegen einen bewaffneten Staat ist Wahnsinn. Die DDR war schon im Arsch, als sie gestürzt wurde. Es hat nur eines Lüftlchens gebraucht, sie zusammenzupusten. Die Engländer hatten schon von überall auf der Welt auf die Fresse bekommen und die Kolonialpolitik war bereits GB total umstritten, als Gandhi sie mit seinem Hungerstreik in die Knie zwang.

Friedliche Revoultionen funktionieren nur für den Todesstoß eines eh schon maroden Gebildes.

Aber ich will dir Recht geben. Ich finde das Waffengesetz sollte so bleiben wie es ist. Nur macht es das um so schwerer.

Vielleicht hilft ja hier und da ein brennendes Auto, um die Politiker an ihre Pflichten zu erinnern..."

Sonntag, Mai 27, 2007  
... oder wie Blogger mspro einst so treffend sagte:

"Ich glaube, der Kern der Demokratie wurde von den Meisten Menschen noch nicht begriffen, vor allem nicht von der CDU.
Der Staat tut alles, um die Revolution unmöglich zu machen. Er sollte aber im Gegenteil alles dafür tun, die Revolution unnötig zu machen.

Und eben dafür braucht es das Gespenst der Revolution."

Sonntag, Mai 27, 2007  
... oder wie Anonymous Anonym einst so treffend sagte:

"OK, hast recht, ich würde sogar so weit gehen und sagen: Die DDR war schon im Arsch als sie gegründet wurde. ;)

Trotzdem: Gewalt stellt m.E. immer ein Problem dar, gerade dann wenn es darum geht mit einer Revolution den Staat irgendwie ›demokratischer‹ zu machen. Mit Gewalt kann man ja auch keine Gewaltlosigkeit erzwingen. (Also irgendwie schon, wenn man jemanden gewaltsam festsetzt, aber sicher nicht auf Dauer.) Ich glaube einfach, Gewalt wäre keine gute Basis für eine ›demokratischere Demokratie‹ oder irgend etwas das man für noch besser, noch fairer halten könnte. Ich finde ein Gespenst der Revolution würde es irgendwie auch nicht besser machen.

Und sollte es zu einer Revolution mit Gewalt gegen die Obrigkeit kommen, so könnte sich sicher ein Guerilla-Krieg daraus entwickeln. Denn dem Gewaltmonopol des Staates kann man die Waffen im wahrsten Sinne des Wortes ja aus der Hand nehmen, und da ist es im voraus doch schnuppe ob die Menschen schon vorher Waffen tragen durften, oder nicht.

Das bisherige Waffengesetz macht es m.E. nur in so fern schwerer, (und da gebe ich Dir recht) dass es etwas anderes in den Köpfen der Leute bedeuten würde, dürften sie Waffen tragen. Aber die Probleme die ein Waffengesetz wie in Amerika mit bringen würde, möchte hier zu Lande niemand haben, ich auch nicht.

In Deutschland kann so etwas wie in USA sicher nicht funktionieren. Alleine schon auf Grund unserer historischen Vergangenheit. Bei den Amerikanern ist der Patriotismus doch viel stärker mit deren Kultur verwachsen, warum sagtest Du ja schon. Bei uns gibt es so etwas wie, ich nenne es mal, ›Deutschtum‹ nicht, höchstens im rechtem Spektrum. Auch wenn es mal immer wieder Spinnereien gibt, so etwas in der Art in D-Land, auf recht fragwürdige und peinliche Art, in die Köpfe der Menschen zu drücken. Siehe: Du-Bist-Deutschland.

BTW: Wie sagte noch Sperber: »Die bürgerliche Demokratie erlaubt den Menschen nach eigner Façon unglücklich zu sein.« ;-)"

Sonntag, Mai 27, 2007  
... oder wie Blogger mspro einst so treffend sagte:

"Wenn man über Demokratie und Gewalt nachdenkt, dann kommt man nicht umhin die Gewaltenteilung als eine der größten Errungenschaften zu betrachen. Gewaltenteilung ist tatsächlich der Verusuch einer Rückversicherung: Legislative, Executive und Judikative sind angehalten auf einander aufzupassen, sich gegenseitig zu drogen und vor allem Macht zu fragmentieren.
Das funktioniert teilweise sogar, und zwar dort, wo die Exekutive immer wieder an der Judikative abprallt. Dagegen ist die Teilung Exekutive und Legislative beinhahe aufgehoben in einer großen Koalition. Aber nicht nur da.
Was ich mit der größten Sorge betrachte ist die Herausbildung einer "politischen Klassse". Politik ist heute ein Profigeschäft geworden und hat eine gewisse Systemimmanente Homogenität hervorgebracht. Man kennt sich, man fühlt sich verbunden, denn man macht den selben Job. Und im Grunde sind die meisten Auseiandersetzungen, die wir im Fernsehen zu sehen bekommen, reine Showkämpfe. Abends sitzen CDU und SPD an einem Tisch und lachen über die Debatten des Tages. Unterschiede werden nur noch hervorgekehrt und aufgeblasen, um die eigene Wählerschaft zu mobilisieren.

Die Judikative, weil sie sich im größeren Maße nicht aus der Politikerkaste rekrutiert, ist sozusagen die einzige verbliebene Kontrollinstanz. Fiele sie, dann ist die Demokratie nicht mehr das Papier wert, auf der sie steht.

Ich finde die Idee der Gewaltenteilung dennoch für wichtig. Man muss nur über Möglichkeiten nachdenken, diese auszuweiten. Das heißt über Gewalt nachdenken. Und in einer Demokratie sollte die letzte Gewalt eben vom Volk kommen. Der letzte Hebel, die letzte Instanz, die allgemeinste aller Rückversicherungen, sollte beim Volk liegen. Irgendwie.

Mir geht es darum anzuerkennen, dass es Gewalt gibt. Dass es niemals keine Gewalt gibt oder gab. Und dann zu überlegen, wie man am sinvollsten damit umgeht. Alles andere ist Ideologie."

Montag, Mai 28, 2007  
... oder wie Anonymous Anonym einst so treffend sagte:

"Das mit der ›politischen Klasse‹ sehe ich absolut genau so. Schön beschrieben!

Mal ein Stück weg gerückt vom Hauptthema:

Es gibt dann ja noch diese Idee einer ›virtual Democracy‹ in der dem Volk mehr Entscheidung (in Wahlen) in die Hand gelegt werden. Und zwar Entscheidungen über die Mittel. Sprich: Der einzelne Bürger entscheidet bei einer Wahl für sich, wie er die Mittel auf einzelne Ressorts verteilen möchte. Finde ich auch eine interessante Theorie, da es ein stärkeres allgemeines Bewusstsein für Politik, für die Mittel schaffen würde. Kritik wäre: Was wenn das Volk gar nicht in der Lage ist vernünftige Entscheidungen auf den Weg zu bringen? Wäre es richtig wenn nur noch einzelne Ressorts in einer Wahl gegeneinander antreten und für sich werben müssten und nicht mehr Parteien oder Politiker? Könnte man das bisherige Modell evtl. sogar mit dieser neuen Idee koppeln, eine Mischform aus Demokratie hin zur ›virtuellen Demokratie‹ schaffen?

Sind nur so Gedanken am Rande. ;)"

Mittwoch, Mai 30, 2007  
... oder wie Blogger Don Pepone einst so treffend sagte:

"Tut mir leid wenn ich mich einmische, doch dioe Behauptung, jeder Amerikaner könne laut Verfassunf so mir nichts - dir nichts eine Waffe kaufen, ist schlicht falsch. Längst nicht jeder Bundesstaat der USA macht seinen Bürgern Waffen zugänglich. Im Gegenteil, es gibt eine beständig wachsende Lobby von Menschen, die das unterbinden (wollen). Selbst in Texas o.ä. gibt es Auflagen, die den Kauf einer Waffe für JEDEN unmöglich machen.
Auch wenn ich hier gerne lese, das muß richtig gestellt werden."

Dienstag, Juni 19, 2007  

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