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14.6.08

Europa und ich

Danke Irland. Danke, dass ihr den verkorksten Pseudoverfassung ein vorzeitiges Ende bereitet habt. Ich weiß, ihr habt vor allem aus egoistischen Motiven heraus den Vertrag abgelehnt. Das ist Euer gutes Recht. Der Vertrag war nicht gut für Irland, also für Euch.

Dennoch würde ich Euer Nein gerne, wenn auch idealistisch, meinetwegen pathetisch, uminterpretieren wollen: Ich hoffe zutiefst, Ihr habt den Vertrag auch, wenigstens ein bisschen, in Stellvertretung des gesamten europäischen Volkes abgelehnt. In einer Stellvertretung, die der Stellvertretung, die die Kommission und das europäischen Parlament für sich beansprucht (vergessen wir nicht, auch diese Damen und Herren halten sich für Stellvertreter des europäischen Volkes) ferner nicht sein könnte. Sondern ihr habt es in einer Stellvertretung abgelehnt, in der sich nicht das Volk in der Regierung spiegelt, sondern ein Volk für die Völker, deren Meinungen übergangen wurden.

Ihr wart die einzigen, die man gefragt hat. Und wenn der eine oder andere von Euch, sich in Solidarität mit allen anderen europäischen Völkern, vielleicht über diese Tatsache, diese unermessliche Arroganz, geärgert hat und es sein Stimmverhalten beeinflusst haben sollte, dann war das "Nein" zum Vertrag, ein großer und wichtiger Schritt hin zu Europa und eben nicht weg davon.

Wir erinnern uns an das erbärmliche Scheitern der Europäischen Verfassung. Damals hieß sie noch Verfassung, weil einige Länder, ähnlich wie ihr, zur allgemeinen direkten Abstimmung aufgerufen waren. Denn eine Verfassung ist nur dann eine Verfassung, wenn sie sich ein Volk selber gibt. (Deswegen heißt die Verfassung in Deutschland bis heute "Grundgesetz", weil es nie zur Abstimmung gelangte. Zunächst - provisorisch - der Teilung wegen und heute, weil die Politiker Angst davor haben. Angst vor uns.) 
Der Kniff, das Paragraphenwerk einfach anders zu nennen und es dann durch die Parlamente zu peitschen, hat nicht geklappt, an der einzigen Station nicht geklappt, an der das Volk gefragt wurde. Was für eine Ohrfeige!

Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich nicht mal wirklich weiß, was da alles drinsteht, in diesem Vertrag. Es soll in einer ganz schrecklichen Juristensprache verfasst sein. Ich habe keine Lust, mich damit auseinander zu setzen. Darum geht es mir aber auch nicht. Es geht um die Arroganz der Mächtigen, die jeweiligen Verfassungen der Länder über die Köpfe der Menschen hinweg, einzuschränken oder umzumodeln. Denn genau das tut dieser Vertrag.

Das heißt nicht, dass ich gegen eine europäische Verfassung bin. Ich bin sogar entschieden dafür. Ich bin für Europa und für eine engere Bindung und gerne auch für eine Verfassung. Diese Verfassung muss aber auch so heißen. Sie muss mit offenem Visier diskutiert werden und von allen Einzelstaaten per Plebiszit abgesegnet werden. Von. Jedem. Einzelnen. Ich stelle dabei bewusst keine inhaltlichen Anforderungen, denn ich weiß, dass diese ihre Richtigkeit haben werden, wenn alle Völker ihr zustimmen würden.

Ich weiß, liebe Herrschenden, das ist verdammt schwer. Ihr würdet sogar sagen, das sei unmöglich. Das glaube ich nicht, aber meinetwegen. Dann ist das halt so. Aber so sieht nun mal Euer Job aus. Wir können noch hundert Jahre warten, wenn es denn nötig ist, für eine Verfassung, die den Namen verdient. Solange Ihr Europa nur als Vehikel für unpopuläre und teils verfassungswidrige Gesetzesnormen nutzt, wird kein Volk Euch einen Blankoscheck ausstellen. 

PS: Als Tipp. Ich bin ein Fan vom Grundgesetz. Und nicht nur ich. Müsste ich dafür abstimmen, meine Stimme wäre Euch sicher.

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4 Zitate:

... oder wie Anonymous Anonym einst so treffend sagte:

"Wie naiv ist das denn hier? Völlig ohne historisches Verständnis dahingeschrieben, weil wohl gerade EU-Bashing en vogue ist.

Schon vergessen, dass die Verfassung gnadenlos bei Volksabstimmungen in F und NL gescheitert ist? Dass deswegen dieser Lissabon-Torso, der aber immer noch besser ist als das, was wir jetzt haben, zusammenverhandelt werden musste? Von 27 demokratisch legitimierten Regierungen?

Und das Bekenntnis zum Grundgesetz kann angesichts der überall durchscheinenden Meinung von den fiesen "Mächtigen" ja nur als anbiedernde Heuchelei bezeichnet werden. Das Prinzip der repräsentativen Demokratie scheint dem Autor jedenfalls nicht bekannt zu sein.

Politik in Deutschland und Europa zu machen ist etwas komplizierter, als es so banal abzukanzeln. Ich empfehle: Parteieintritt, zur Not bei den LInken, und einfach mal selber loslegen. Mehrheiten finden, überzeugen, Probleme lösen - das ist etwas schwieriger, als so einen Text hinzuschmieren."

Sonntag, Juni 22, 2008  
... oder wie Blogger mspro einst so treffend sagte:

""ohne historisches Verständnis dahingeschrieben" Wie kommst du darauf?
"Schon vergessen, dass die Verfassung gnadenlos bei Volksabstimmungen in F und NL gescheitert ist? "

Etwa deswegen?

Aber du hast den Artikel schon gelesen, oder?:
"Wir erinnern uns an das erbärmliche Scheitern der Europäischen Verfassung. Damals hieß sie noch Verfassung, weil einige Länder, ähnlich wie ihr, zur allgemeinen direkten Abstimmung aufgerufen waren."

Und das ist jetzt ein Argument FÜR Lissabon???? Dass der fast identische Vertragstext schon mal von breiten Bevölkerungsmehrheiten abgelehnt wurde??? Damit willst du wohl dein Demokratieverständnis untermalen.

Sag mal. Was willst denn Du überhaupt?

"Das Prinzip der repräsentativen Demokratie scheint dem Autor jedenfalls nicht bekannt zu sein. "
Bekannt ja. Aber deswegen muss ich es ja nicht mögen, oder?

Tod den Parteien!!!"

Sonntag, Juni 22, 2008  
... oder wie Anonymous Anonym einst so treffend sagte:

""Tod den Parteien!"
Habe ich ja gesagt, dein Bekenntnis zum Grundgesetz ist nicht den Strom wert, den es brauchte, um es zu erzeugen. Denn im GG haben die Parteien immerhin Verfassungsrang - "tragen zur politischen Willensbildung des Volkes bei " osä.

Was ich will? Ich möchte, dass die Leute, die "völkisch" denken oder demokratisch gewählten Regierungen die Legitimität absprechen, weil sich deren Entscheidungen nicht mit dem eigenen verschwurbelten Erfahrungshorizont decken, mal einfach die Schnauze halten.

Dass einfach mal akzeptiert wird, dass es sich um komplexe Sachverhalte und Kompromisse handelt, die zu verstehen einem Webbohemien vielleicht nicht gegeben ist.

Und was man nicht versteht, davon sollte man vielleicht einfach mal schweigen."

Montag, Juni 23, 2008  
... oder wie Blogger mspro einst so treffend sagte:

"" Denn im GG haben die Parteien immerhin Verfassungsrang - "tragen zur politischen Willensbildung des Volkes bei "

Dass das so vorgesehen ist, weiß ich auch. Dass es so ist, sehe ich schon lange nicht mehr. Du etwa? Was ist ein Konzept noch Wert, wenn es nicht mehr, oder nicht mehr zureichend funktioniert?

"Was ich will? Ich möchte, dass die Leute, die "völkisch" denken"

Was bitte meinst du mit "völkisch"??? Sind basisdemokratische Konzepte für dich "völkisch"? Wie bist du denn drauf?

"... oder demokratisch gewählten Regierungen die Legitimität absprechen, weil sich deren Entscheidungen nicht mit dem eigenen verschwurbelten Erfahrungshorizont decken, mal einfach die Schnauze halten."

Ach, die Schnauze halten sollen sie, die Leute. Meinungsfreiheit scheint Dir jedenfalls kein allzu wichtiger Part in der Verfassung zu sein, oder?

So wie das Volk die Schnauze halten soll, weil da oben ja eine Expertengruppe alles super regelt? Die Deutschland AG hat also ne tolle Geschäftsführung. Na dann ist doch alles prima, wa?

PS: Gerade machst Du mir irgendwie Spaß. Deswegen lass ich es mal stehen. Beim nächsten ähnlich intelligenten Kommentar wird's mir aber sicher zu nervig und der Löschfinger fängt an zu zittern. Da musst Du Dir schon Mühe geben und ziemlich kreativen Blödsinn verzapfen."

Dienstag, Juni 24, 2008  

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