Too Cool for Internet Explorer

29.7.05

Turmabbau zu Babel (Ergänzungen)

Ich versuche die Parallelen ein wenig konkreter auszuarbeiten. Das Volk der Sem (Was Name heißt) baute in Babel (Was in etwa Tor oder Stadt Gottes heißt) Einen Turm, laut Bibel um sich "einen Namen zu machen". Dies war noch vor der so genannten Verwirrung der Sprachen. "Alle Menschen sprachen mit einer Lippe". Sie hatten sozusagen die Weltsprache für sich gepachtet, was, wie man annehmen muss, eine unglaubliche Machtakkumulation war. Eine Hochkultur, die zumindest glaubt die einzige Sprache zu sprechen und über das einzige Idiom zu herrschen. Diese Leute kamen auf die Idee einen Turm zu bauen, der bis in den Himmel ragt. Seit jeher ist dieser Turmbau Symbol alles Größenwahnsinnigen, und für die Arroganz und Überheblichkeit des Menschen. Sie bauten also den Turm. Aber, man kennt das: Gott fand das gar nicht so toll. Ob er eifersichtig war? K.A. Jedenfalls kam er hernieder und sprach seinen Namen aus: "YHWH"! Und er bleibt immer unübersetzbar bis heute. Der Eigenname Gottes konnte nicht übersetzt werden, denn er war Eigenname und Gattungsname zugleich. Er heißt: Babel und Verwirrung. Und der Turm wurde zerstört und die Sprachen verwirrt. Jeder sprach ab nun eine andere Sprache und die Menschen verteilten sich auf der ganzen Welt. Dies ist der Anfang von den verschiedenen Kulturen, von Interkulturalität, Multikulti, und vor allem dem Zwang zu übersetzen. Dem Gesetz also, das da besagt, dass gesagtes von der einen in die andere Sprache transferierbar ist und gleichzeitig nicht ist, da es nicht geht, da es unmöglich ist wirklich zu übersetzen. Nun kann man hingehen und den Turm zu Babel und die Tatsache der Weltsprache als Allegorien in eins setzen. Die Weltsprache war ihre Arroganz, genauso wie der Turm; der Turm war die Arroganz, die sich in der einen Weltsprache aussprach.
Flash ---------> Heute!
Raider heißt nun bekanntlich Twix und Babylon heißt jetzt Bagdad. Und wieder ist es der heißeste Ort an dem die Übersetzung momentan scheitert. Nicht der einzige freilich aber zur Zeit der wichtigste. Und es scheint sich etwas Strukturgleiches zu wiederholen: Das erste Mal seit Babylon gibt es wieder so etwas wie eine universelle Weltsprache. Oberflächlich betrachtet ist es das Englische. Und tatsächlich, so viele völlig unterschiedliche Menschen auf der ganzen Welt können Englisch sprechen. Aber genauer betrachtet ist es mehr und eine andere Sprache, eine die noch viel mächtiger ist. Es ist die Sprache der europäischen Moral, die zusammen mit dem Vernunftgedanken, den Rationalismus mit transportiert und somit als eine Mischung aus universellen Menschenrechten und wirtschaftlicher Globalisierung das eigentliche Weltidiom bildet. Man nennt dies im Allgemeinen auch die „westliche Kultur“, die Terroristen nennen es schlicht Satan. Das spielt aber auch keine Rolle. Fakt ist: Wir haben wieder eine Weltsprache. Wir haben wieder einen Turm. Die Frage ist nun, ob Gott das diesmal zulassen wird. Oder wenn nicht Gott, dann bleibt die allgemeine Frage, ob so eine Weltsprache überhaupt zugelassen wird, werden kann, weil sie doch die Übersetzung konterkariert, welche Sprache überhaupt möglich macht. Und weil sie eine Machtakkumulation von ungekannten Ausmaße darstellt, denn wer jemand anderem definiert, wie etwas heißt, der hat schließlich die absolute Deutungshoheit. Seine Sprache wird zur Sprache der Wahrheit, und so zu einer inneren, subtilen aber universellen Kolonisation.
Wir haben also diese Weltsprache (zumindest in Ansätzen) aber können wir uns ihrer noch sicher sein? Ist der Turm (sind die Türme) nicht schon gefallen? Kann man nicht die WTC Türme als den Turm unserer Weltsprache auffassen, das WORLD TRADE CENTER? War es nicht irgendwie das Zentrum dieser Sprache der Globalisierung? Dieser Turm der in den Himmel ragte, mit dem wir uns einen Namen machen wollten. Er ist nun schon gefallen, in einem unübersetzbaren Akt des Terrorismus. Es ist keine Frage: Es gibt eine Gegenwehr gegen diesen Turm, diese Sprache, die die Welt beherrscht und diese Gegenwehr funktioniert sogar. Es ist der Terrorismus, der uns seinen Namen entgegenschleudert, so wie es Gott in Babel getan hat. Und auch wir sind nicht im Stande diesen Namen zu übersetzen. In unserem Common Sense der Menschenrechte und aufklärerischer Vernunftethik lassen sich Selbstmordattentate nicht integrieren. Unsere Sprache ist auf die Positivität des Lebens ausgerichtet, die der Terroristen ist es auf den Tot. Es ergibt ein Übersetzungsproblem, der Selbstmordanschlag ist nicht reduzierbar, er verschließt sich unserer Deutung, bleibt singulär und ohne Äquivalent, so wie der Eigenname Gottes. Keiner kann sich so etwas vorstellen, ersinnen, nachvollziehen. Es gibt keine Namen davon, denn dieser Akt, das Verwenden des eigenen Todes als Waffe, kann in unserer Sprache gar nicht vorkommen. (Die Japaner kannten den noch Begriff Harakiri, aber auch ihre Erinnerungen sind schon lange verblasst) Natürlich wird nach Erklärungen (Übersetzungen) gesucht: Die Terroristen seien so verzweifelt, heißt die eine, die angehörigen bekommen doch bares Geld dafür, die andere. Sie, die Bomber wurden von Bauernfängern rekrutiert und verführt und ihnen wurde das Gehirn gewaschen; mit ein wenig mehr Bildung und Aufklärung in diesen Ländern sei das Problem ja schon behoben. Alle diese Erklärungen greifen zu kurz. All diese Übersetzungen gehen von einer grundsätzlichen Übersetzbarkeit des Selbstmordanschlags in unsere Sprache aus. Aber genau das ist das Problem: In unserer himmelschreienden Arroganz glauben wir, wir hätten eben jene universelle Weltsprache, in die sich eben alles übersetzen lässt. Ich glaube da nicht daran. Ich glaube, je mehr wir versuchen die Selbstmordanschläge zu übersetzen, desto wirrer wird unsere eigene Sprache, denn die Übersetzung transformiert immer und vor allem auch die Sprache, in die übersetzt werden soll. Und diese Transformation müsste eine gewaltige sein, bis der Selbstmordanschlag einen Platz darin fände. Sollten wir es je schaffen den Selbstmordanschlag zu übersetzen, hätten wir bereits unsere Sprache aufgegeben.
Aber ich merke schon, an der Übersetzung wird noch gearbeitet, es werden Überstunden geschoben und die Wochenenden durchgearbeitet. Dabei wird unser Turm nach und nach dekonstruiert. Werte wie Datenschutz, Informationsfreiheit, Privatsphäre, Recht auf Leben und Mobilität werden abgebaut, wie ein Turm. Werte wie Freiheit und Freizügigkeit werden Schicht für Schicht abgetragen, um Platz zu machen, für die Übersetzbarkeit des Terrorismus. Gerade arbeitet man eifrig an der partiellen Abschaffung der Toleranz. Unsere Sprache beginnt in sich wirr zu werden. Zum Beispiel sprechen die Amerikaner und Europäer schon jetzt zwei immer weiter auseinanderdriftende Sprachen, wo sie doch vorher mit einer Lippe gesprochen hatten. Auch im innersten Europas ist dieser Prozess in vollem Gange. Die Spaltung wird weiter vorangehen, die Gräben werden größer werden auch zum Rest der Welt. Diese unsere Weltsprache wird sich weiter spalten und diversifizieren. Die Staats und Regierungschefs können auf ihren Gipfeln nur noch mühsam verdecken, dass sie sich schon nicht mehr untereinander verständigen können. Diese unsere Weltsprache ist schon jetzt nicht mehr die unsrige.

2 Zitate:

... oder wie Blogger jge einst so treffend sagte:

"Dank für den Hinweis auf diese Überlegungen. --
Auf dem Weg zum Clash of civilizations? Kämpfen die Werte, die aufeinanderprallen, um die Macht?
Wenn das WTC wirklich das Symbol der westlichen Welt wäre, dann wäre mir um sie nicht bange. Dass die Wirtschaft die Welt regieren kann, halte ich für wahrscheinlicher, als das wir im Chaos der Fanatiker versinken. Der Gedanke ist allerdings kein großer Trost."

Montag, Dezember 19, 2005  
... oder wie Blogger mspro einst so treffend sagte:

"Danke für ihr Kommentar. Ich meinte mit Globalisierung nicht nur die Wirtschaft. Wenn sie nur aus Wirtschaft bestünde, dann wäre sie m.E. niemals so erfolgreich. Nein, die Globalisierung transportiert ja auch einen gewissen Wertekanon, der u.a. eben in den universellen Menschenrechten zu finden ist. Dieser Wertekanon nun als Kultur, Sprache, kulturelle Semantiken begreift sich als universell. Das ist eben die Chance des Terrorismus. Im Grunde zeigt er die Nicht-Universalität unseres Wertesystems auf, indem er uns mit seinen Leben- und Menschenverachtenden Akten einen für uns unübersetzbaren Speachact entgegenschleudert.
Wie ist drauf zu antworten? Die einzig mögliche Antwort funktioniert nur als Übersetzung. Dabei kann nur einerseits der Terrorismus dermaßen umgedeutet werde, als dass er irgendwie in unsere Sprache passt. All diejenigen die das Problem sozialkritisch angehen übersetzen so.
Oder man muss die eigene Sprache eben anpassen, man muss sich des Idioms des Terrorismus ein Stück weit bedienen, um ihn zu übersetzen, also ihm zu antworten. Dies ist die Übersetzung all derer die meinen, man müsse die Bürgerrechte beschneiden, auch Folter und Mord zulassen im Kampf gegen den Terrorismus.

Im Grunde ist dieses Problem nicht neu. Immer dann, wenn etwas oder jemand die Kultur, die vorherrschende Ethik etc. angreift, wird die Übersetzung angeworfen. So war es zum Beispiel 68 als ein Prozess angestoßen wurde, indem sich die Gesellschaft und ihre Sprache in einer Möglichmachung der Übersetzung transformierte.

Das Problem ist, dass es hier zu einer radikalen Übersetzung kommen müsste, einer viel radikaleren und einer Weltweiten. Und die Übersetzung findet eben schon statt. Überall dort, wo die Menschenrechte zur Disposition gestellt werden merkt man schon diesen Prozess. Wir machen uns der Sprache der Terroristen ähnlich um Antworten zu können."

Montag, Dezember 19, 2005  

Kommentar veröffentlichen

<< Home