War Heidegger etwa ein Nazi?
Bei allen, die ob dieser naiven Frage anfangen müssen zu lachen: Es ist sehr erst.
Natürlich hat Heidegger sich offen zum Nationalsozialismus bekannt, ließ sich von den Nazis zum Rektor der Freiburger Universität machen, stellte seine Schriften und sein Denken offen in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda und träumte fortan öffentlich vom Endsieg des Deutschen Volkes, zumindest bis 1935.
Nun gibt es aber Menschen, denen ist das nicht genug. Heidegger sei noch viel mehr ein Nazi, als er ein Nazi ist, ja er sei ein Ober- Über- Supernazi. So jedenfalls mutet die Analyse des französischen Philosophen Emmanuel Faye an. Er will rekonstruiert haben, wie schon im Frühwerk Heideggers der Nazi in ihm steckte, teils offen, teils verdeckt. Ja, er sei sogar ein Nazi avant la Lettre gewesen, so seine Interpretation unter anderem von „Sein und Zeit“. Dabei wendet er jedes Wort drei und viermal, sucht nach bekannten Mitstreitern, sucht Wortähnlichkeiten zwischen seinem Werk und Hitlers Reden und wird dabei auch noch fündig (sollen ja auch beide meines Wissen deutsch gesprochen haben).
Man kann diesem Faye natürlich methodische Unredlichkeit unterstellen, wie es Thomas Meyer tut. Finde ich persönlich aber auch langweilig. Denn diese Debatte hatten wir doch schon längst durchgekaut. Als Nazi avant la Lettre galt schließlich auch immer mal wieder Friedrich Nietzsche, obwohl er die Zeit des Nationalsozialismus nicht einmal mehr mitbekommen hatte. Man kann sich auch hier trefflich über Vokabeln streiten, die hier wie dort von den Nazis annektiert wurden. Hitler selbst bediente sich ganz offiziell bei Nietzsche. Aber dann gibt es schließlich auch Leute, die meinen, man kann Nietzsche auch ganz anders lesen, ja, sogar Leute, die ihn in den Dienst der linken Sache stellen. Gleiches gilt für Heidegger, der ausgerechnet eng umschlungen mit Marx in das Sartesche Werk gequetscht wurde. Auch ein Derrida oder ein Levinas sind wohl trotz ihrer intensiven Heideggerexegese des Nazismus unverdächtig („noch“ müsste man anfügen, siehe das Beispiel Paul de Man). Und so bleibt die Frage trotz des aufgeregten Gezeters im Raum, was das denn eigentlich sei: Eine Naziphilosophie.
Glaubwürdige Antworten bleiben alle Autoren bis heute schuldig. Aber vielleicht könnte das ja daran liegen, dass alle Philosophen es bis heute versäumt haben, ihre Philosophie als feststehende Ideemanifestationen an die Türen der Realität zu tackern, sondern es dabei beließen uns lediglich voll geschriebenes Papier zu auf den Tisch zu knallen.
Und das ist dann auch die Krux des ganzen, denn dieses Papier muss wohl oder übel gelesen werden, von jedem einzelnen persönlich und es gibt keinerlei Vorschrift, wie es zu lesen ist und deshalb wird man auch in 1000 Jahren noch darüber debattieren, was die „richtige“ Lesart eines Nietzsches, eines Marx, eines Freuds und eines Heideggers ist.
Aber davon abgesehen: Was ist denn nun die Schlussfolgerung dieses Herrn Faye? Was will er uns denn jetzt sagen? Dass seine Lesart Heideggers die einzig gültige ist? Dass wir jetzt Heidegger nicht mehr lesen sollen? Dass Heideggers Bücher verboten gehören? Ja, dass wir sie am besten sogar auf dem Scheiterhaufen verbrennen sollten? Ich mein, er sagt es ja nicht so direkt, aber man könnte es sicher herauslesen, wenn man denn wollte.
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