unmissverständlich
Der Hamburger Weihnachtsmarkt wird zur Zeit flankiert von den Seelenhäschern der Scientologen. Man erkennt sie daran, dass gut bürgerlich, beinahe spießig angezogene Leute ansonsten kaum irgendwo Flyer verteilen. Nur mit entsprechendem Glühweinanteil im Blut ist das vielleicht ein wenig missverständlich. Aber als wir mit unserer Seelenretterin mitdackelten, war das Missverständnis bereits ausgeräumt. Wir gingen hinüber in das große gelbe Gebäude der Scientology Kirche, die sich hierzulande leider nicht Kirche nennen darf, weil ihr der Kirchenstatus aberkannt ist, also eher keine Kirche ist, sondern nur so ein großes Haus. Ein wenig missverständlich vielleicht, wie so vieles im Leben.
Eigentlich wollten wir uns nur den Film ansehen, aber die uns zugeteilte Missionarin ließ uns zunächst eine kleine Ausstellung mit großen Informationstafeln besichtigen. Ich muss sagen, es war tatsächlich eine Erleuchtung.
Besonders war ich beeindruckt über die scientologische Behandlung von Missverständnissen. Auf einer der ausgestellten Tafeln wurde uns erklärt, dass viele Leute Probleme beim Lesen und verstehen von Texten haben, weil sie mache Worte und Begriffe missverstehen. Weil der „Sinn“ und die „Bedeutung“ der Worte nicht richtig eingeordnet werden. Scientology kann hier wirklich helfen, wurde uns versichert. Ungläubig fragte ich nach, ob sie tatsächlich eine Methode gefunden hatten, die Missverständnisse aus der Sprache zu bannen und so die „reine“ Bedeutung und den unmissverständlichen, idealen Sinn endlich freizulegen. Ich war baff: Die Antwort war „ja“. Schlicht: „Ja“, ganz unbeirrt und einfach nur „ja“. Punkt.
Vor meinem inneren Auge sah ich Leibnitz auf die Knie fallen, sah Frege eine Träne ausdrücken und ein seliges Lächeln im Gesicht Wittgensteins sich bilden.
Eine Tafel weiter war das „magische Dreieck“ erklärt: „In der Scientology haben wir ein magisches Dreieck – nur bezeichnen wir es nicht als magisches Dreieck. Wir nennen es einfach ARK“ WOW. ARK, das „magische Dreieck“, dass nicht „magisches Dreieck“ geheißen, gerufen, genannt wird, war also ganz unmissverständlich jenes „Magische Dreieck“, das kein „magisches Dreieck“ war. Jetzt wurde mir alles klar…. Nur was ist ARK? Es steht für „Affinität“, „Realität“ und „Kommunikation“, also die drei Bestandteile des Lebens. Klar. Nur was genau meinen die jetzt mit „Affinität“? Ganz salopp „Liebe“. Ach so, ich hatte die „Affinität“ als allgemeine „Affirmation“ gedeutet, Affirmation der Lehren des Ron Hubbert, der Scientology also, eben das, was ich hier mache, das unhinterfragte Annehmen der reinen Lehre, das absolute nicht-missverstehen, den Glauben, aber nein, ich hatte das wohl schlicht missverstanden. Affinität ist einfach Liebe. OK, kann ja mal passieren. Gott sei dank wurde dies Missverständnis durch Ecke No. 2, der Kommunikation, erfolgreich ausgeräumt und so war ich doch noch in Ecke No. 3 angekommen, der Realität. Mein Nicht-magisches Dreieck ist also wieder gerettet.
Die nächste Tafel Bezog die bisherigen Erkenntnisse schließlich endlich auf Gott. Gut, Gott kenne ich, hab ich schon oft gehört. Also glaubt Scientology also an Gott? Nun ja, nicht ganz, war die Antwort, sie glauben nicht an den Bibelgott, oder sonst irgendeinen Gott sondern eher allgemein an ein höheres Wesen. Auch gut, also „Gott“, bitte nicht zu verwechseln mit „Gott“, also „Gott im eigentlichen Sinne“, so wie das "Magische Dreieck" auch kein magisches Dreieck ist oder jedenfalls nicht so genannt wird. So langsam machte alles Sinn.
Nun, ja ich kann nun nicht sagen, dass ich das alles jetzt soooo genau verstanden habe. Aber ich habe ja auch noch nicht das scientologische Lerntraining absolviert. Vielleicht das nächste Mal.
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