Über kotzende Journalisten
Man kann nur auskotzen was man vorher verspeist hat. Vielleicht genüsslich verspeist, vielleicht sogar mit Gier oder Wonne in sich hineingestopft hat, etwas leckeres, köstliches, etwas, dass man hinterher bereut gegessen zu haben, weil es zu schwer, zu fettig, zu ungesund ist. Der Magen hat es wohl nicht ertragen, die Verdauung wollte nicht mitspielen, die Magensäuren liefen Sturm. Man kotzt es dann aus, in einem gewaltsamen Akt der Abstoßung des zuvor heiß begehrten, orgiastisch verschlungenen. Nun liegt es dar nieder, zu Füssen, als stinkender, schleimiger Brei, konturlos, ekelerregend, Vorsicht: nicht reintreten.
Ziemlich angekotzt war Schröder, wie wir alle erfahren haben, von den Medien, die gegen ihn Kampagne machten, gegen ihn, den Medienkanzler, wie sie ihn niederschrieben, ihn abwählten bevor er abgewählt war. Schröder kotzte sich öffentlich aus in der Elefantenrunde über diese Medien, die ihn einfach so ausgekotzt hatten. Auch hier stank es, auch hier war es nicht schön mit anzusehen. Aber das Kotzen geht noch weiter.
Denn, tatsächlich, neben den immergleichen Kampagnenmedien aus dem Hause Springer und den grauen Eminenzen der FAZ, hatten vor allem auch diejenigen Medien gegen ihn geschrieben, die wie Spiegel, Stern und SZ bisher eigentlich eher dem linken Spektrum zuzuordnen waren. Der Medienkanzler hatte keine Freunde mehr in den Medien, er stand allein auf weiter Flur mit seiner SPD. Gerade noch die Frankfurter Rundschau schrieb hier und da mal was nettes, ansonsten: eine einzige kotzende Front.
Das geht nicht nur Schröder so. Die Kampagne gegen ihn war und ist nicht gegen ihn persönlich, sondern sie ist gegen alles "linke" im Allgemeinen. Spiegel und Stern sind schon lange nicht mehr links, diese Kampagne ist nur weiterer Indikator für eine Entwicklung, die bestimmte Leitmedien durchmachten, in eine Richtung, die nur schwerlich in den bisherigen politischen Kategorien von „links“ nach „rechts“ zu fassen sind.
Oberflächlicher Weise könnte meinen, es sei ein "Rechtsruck", der aus einem Generationswechsel innerhalb der Verlage und Redaktionen entstanden sei, dass die Jungen, nicht ganz mehr so linken jetzt ans Ruder kämen und kräftig die jeweiligen Ideologiemaschinen neu justieren würden. Dem ist nicht so. Die schärfsten Vertreter dieser „neuen Rechten“ sind im Gegenteil diejenigen, die zuvor mit linken Positionen auf sich aufmerksam machten. Beim Spiegel sind das die Prominenten Autoren, wie Mahlzahn, Broder oder Aust. Man kann hier auch Wolf Biermann einordnen, der nun Leitartikler für die Welt ist. Beim Stern kenne ich nicht so viele Namen. Der Stern ist mir eigentlich immer egal. Auch in der "Zeit" ist dies zu vereinzelt zu beobachten und hier und da auch schon mal in der Taz. Man kann einige weitere kluge Köpfe benennen, an Universitäten, in Unternehmen, in Verlagen, die sich heute auskotzen, die ihre Jugend auskotzen, die uns alles vor die Füße kotzen, was nach ihrer damaligen Gesinnung, nach den alten Freunden und ihren linken Ideen riecht.
Denn all das hatten sie zuvor mit enormem Eifer gefressen. Sie alle eint eine linke Vergangenheit, eine die so links ist, dass manch einer aus heutiger Perspektive das Schmunzeln nicht unterdrücken könnte. Sie kommen aus einem Milieu, dass extrem ideologisch aufgeladen war und ein jeder von ihnen hatte seinen Marx, seinen Mao und seinen Lenin verschlungen, verspeist und gefressen. Es ist jenes Milieu, das heute als 68er firmiert, reflektiert und gebranntmarkt wird, aus dem die Grünen entstanden, aus dem die APO, der SDS, die RAF entstanden und ja, auch die (noch) Bundesregierung, Teile der NDP und eben auch jene kotzenden Journalisten.
Es ergibt sich ein differenziertes Bild dieser Generation, ein Bild, das in allen politischen Farben schillert, von ganz weil links nach ganz weit rechts bedient es alles, aber eines haben alle gemeinsam: sie sind alle immer noch sehr politisch.
Die Gruppe um die es mir hier geht, diese Journalisten (freilich nicht nur Journalisten), jene die zwar nicht den wirklich braunen politischen Rand beliebäugeln, wie Horst Maler und andere, aber welche, die beinahe allergische Kotzanfälle bekommen, sobald etwas „politisch korrekt“ sein soll, wenn sie linke Ethik, Pazifismus, Antikapitalismus und so weiter wittern. Wenn es also nach dem Essen richt, dass sie einst so verschlangen, von dem sie damals nicht genug bekommen konnten, dann versteigen sie sich in diese hysterischen Kotzanfälle, in dem sich einzig nur der Hass ausspricht, ein Hass der in seiner Intensität durch eine bitter enttäuschte Liebe erklärbar ist.
Dieses große Kotzen hat einen Rückstoß, der die Kotzenden in die andere Richtung stößt oder rückt, nach rechts rückt, natürlich nicht zu einem rechts im Sinne eines Horst Maler, sondern ein vermeintlich liberaleres rechts, ein zuweilen neoliberales rechts und ein bisweilen Neokonservatives rechts. Ein rechts, dass durchaus eine marchiavellistische Färbung annimmt, dass aber keinesfalls mit einem Opportunismus zu verwechseln ist, ja vielleicht eher ein aufgesetzter Opportunismus, aber vor allem streitlustiger Extremismus. Es scheint so, als ob sie ihre politische Heimat endlich in einem Extremismus gefunden haben, der einerseits genügend Stoff zur Konfrontation hergibt, andererseits aber im vermeintlich demokratischen Spektrum eine Abwehrmauer gegen links aufzubauen vorgibt. Die Argumentation ist dabei immer die gleiche: Schreiendes Unrecht wird mit gekonnter Schreibe und undurchsichtiger, meist moralisch belehrender Argumentation gerechtfertigt, und die Gegenseite wahlweise als "Antiliberalisten", „Antikapitalisten“, „Antidemokraten“, „Antiamerikanisten“, „Antisemiten“ , "Terroristenversteher" oder gar "Terroristensympatisanten" usw. pauschal verleumdnet. Ich will da thematisch gar nicht näher darauf eingehen, diejenigen, die schon Journalisten kotzen gesehen haben, wissen was ich meine.
Und das Kotzen ist ja auch eine Form von Opposition, denn kotzen tut man ja doch eigentlich nicht auf offener Straße. Die Kotzenden gebärden sich also provokant, so wie sie damals provozierten, auf den Straßen mit Backsteinen, oder mit langen Haaren und wildem Sex. Aber heute provozieren sie eben auf der anderen Seite, sie kotzen allen arglosen Leuten auf die Füße in ihrem selbstgerechten, zynischen Selbsthass. Ja, vielleicht kotzen sie sich selbst aus. Vielleicht haben sie genug von sich, wollen sich loswerden, ihnen dreht sich der Magen um, sobald sie nur an sich denken.
Aber während einerseits die 68er sich erbost umwenden oder applaudierend mitkotzen, während andererseits die Spontiszene der 80er sich laut eschoffiert, denke ich als Angehöriger der Generation X: "Lass die ruhig kotzen. Ham wa alles schon jesehen." Aber reichlich eklig find ich das dann schon, und füge deshalb an: "Hier, mein Taschentuch ...“ und "... kannste behalten".
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